Landgericht Hamburg
Im Namen des Volkes
Urteil
Geschäftsnummer: 312 O 85/98
Verkündet am 12. Mai 1998
In der Sache [...]
erkennt das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 12, für Recht:
1. Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet
ist, dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der diesem dadurch entstanden
ist und noch entsteht, daß der Beklagte unter der Internet-Domain "www.emergency.de"
einen Hinweis (sog. Link) auf die mit diesem Urteil verbundene Webseite eingerichtet
hat.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Mit der am 27.02.1998 zugestellten Klage nimmt der Kläger den
Beklagten nach wechselseitig hinsichtlich des Auskunftsanspruchs erklärter
Erledigungserklärung auf Feststellung und Schadensersatzverpflichtung
sowie Zahlung der anwaltlichen Kosten für die Abmahnung betreffend die
Unterlassung in Anspruch.
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Beklagte ließ, nachdem ein weiterer Rechtsstreit zwischen
den Parteien vorangegangen war, auf seiner Internet-Homepage - Anlage JS
1 - Links auf im Internet vorhandene Informationen über den Kläger
aufnehmen, so auf die Webpage - Anlage JS 2.
Der Kläger hält diese "Berichterstattung" für sittenwidrig
und sieht sein allgemeines Persönlichkeitsrecht als verletzt an. Der
Beklagte hafte, da er sich durch den Verweis auf die Webpage - Anlage JS
2 - die dortigen Ausführungen zu eigen gemacht habe.
Der Beklagte beantragt Klageabweisung.
Er meint, er habe durch die Zusammenstellung der über den Kläger
erfolgten Äußerungen einen "Markt der Meinungen" eröffnet.
Des weiteren habe er durch Aufnahme einer Haftungsfreizeichnungsklausel
klargestellt, daß er keinerlei Verantwortung übernehme. Im übrigen
mache er von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch.
Hierbei sei zu berücksichtigen, daß sich der Kläger selbst
nach außen hin exponiere. Schließlich fehle es auch an der Darlegung
eines Wettbewerbsverhältnisses.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet aus § 823 I, II BGB i.V.m. §§
186 StGB, 824 BGB wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
sowie der Ehre des Klägers.
Der Beklagte hat dadurch, daß er einen sog. Link auf die Webpage
- Anlage JS 2 - in seiner Homepage aufgenommen hat, die auf der Anlage
JS 2 befindlichen ehrverletzenden sowie beleidigenden Tatsachenbehauptungen
als auch Meinungsäußerungen zu seinen eigenen gemacht.
Nach Auffassung des erkennenden Gerichts wie auch wohl des Beklagten,
denn er hat die Unterlassungserklärung abgegeben, überschreitet
der Text der Anlage JS 2 an mehreren Stellen die von Art. 5 GG geschützte
Meinungsfreiheit, in dem die durch Güterabwägung zu ermittelnde
Grenze zum Ehr- und Persönlichkeitsrechtsschutz nicht eingehalten ist.
Angesichts der von dem Beklagten abgegebenen Unterlassungserklärung erübrigt
sich eine detaillierte Darlegung der Beleidigungen im einzelnen. Hinsichtlich
des klagweise weiterverfolgten Schadensersatzanspruchs ist auszuführen,
daß entgegen der Auffassung der Beklagten die Aufnahme des Links weder
von der "Haftungsfreizeichnungsklausel" - so sie denn am 17.02.1998 überhaupt
aufgenommen gewesen ist - noch von dem ohnehin erst im nachhinein erstellten
sog. "Markt der Meinungen" gerechtfertigt wird.
Wie in der Entscheidung des BGH vom 30.01.1996, NJW 96, 1131 ff.
ausgeführt, kann das Verbreiten einer von einem Dritten über einen
anderen aufgestellten herabsetzenden Tatsachenbehauptung dann eine Persönlichkeitsrechtsverletzung
darstellen, wenn derjenige, der die Behauptung wiedergibt, sich nicht ausreichend
von ihr distanziert. Eine solche ausreichende Distanzierung hat der Beklagte
jedenfalls nicht dadurch vorgenommen, daß er auf die eigene Verantwortung
des jeweiligen Autors verweist. Dies ist keine Distanzierung, sondern vielmehr
eine nicht verantwortete Weitergabe und damit eine eigene Verbreitung.
Auch von einem nach Meinung des Beklagten dank seiner Recherchen
über den Kläger aufgestellten Zusammenschau von über den Kläger
erfolgten Publikationen im Sinne der zitierten BGH-Entscheidung vorliegenden
Markt der Meinungen, der etwa die Aufnahme des Links legitimieren könnte,
kann nicht die Rede sein. Es geht dem Beklagten nicht darum, wie aber in
der zitierten Entscheidung des BGH der Fall, ein Kaleidoskop von Behauptungen
in einer die Öffentlichkeit berührenden Angelegenheit möglichst
umfassend in alle möglichen Richtungen vertiefend wiederzugeben, um
der Wahrheitsfindung nachzuhelfen. Der Beklagte hat vielmehr hier eine Zusammenschau
ehrverletzender Artikel über den Kläger erstellt. Die auf der Webpage
- Anlage JS 2 - enthaltenen ehrverletzenden Behauptungen sind darüber
hinaus so schwerwiegend und nachhaltig, daß der Beklagte vom Grunde
her nicht allein zur Abdeckung des materiellen, sondern auch des immateriellen
Schadens verpflichtet ist.
Soweit der materielle Schaden bereits bezifferbar ist, ist der Kläger
dem in Gestalt des Zahlungsantrages nachgekommen. Der Beklagte ist aufgrund
seiner nach vorstehenden Darlegungen bestehenden Schadensersatzpflicht gemäß
§§ 823 I, II, 824, 249 ff. BGB verpflichtet, die außergerichtlichen
anwaltlichen Abmahnkosten zu bezahlen. Diese sind jedoch nur in Höhe
des zuerkannten Betrages zuzusprechen. Zugrundezulegen ist entgegen der Auffassung
des Klägers für den außergerichtlich geltend gemachten Unterlassungsanspruch
kein Gegenstandswert von DM 100.000,00, sondern vielmehr von DM 40.000,00.
Die Höhe dieses Wertes reicht aus, um allen entstandenen und etwaig
noch entstehenden Schaden materieller und/oder immaterieller Art abzudecken.
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